Mittwoch, 15. September 2010

Games - Von heißen Flitzern, traumatisierten Serben und knüppelharten Vollkontaktkämpfen

 

"Burnout Paradise"

"Burnout"-Feeling in ungewohnter Umgebung. Mit rasantem Tempo krächzen und jaulen die Motoren erstmals durch Paradise City, einer riesigen, komplett befahrbaren Stadt. Es kann nebenbei getankt, repariert und getunt werden, während an jeder Kreuzung ein neues Rennen wartet. Ein zweifellos interessanter Ansatz innerhalb jenes flotten Rennspieluniversums mit vermeintlicher Langzeitmotivation. Scheinbar. Denn nach wenigen Spielstunden offenbart sich recht schnell die unumgängliche Monotonie des Spiels, stets repetitive Events zu suchen und diese erfolgreich zu absolvieren, dann umkehren, unerträglich lange die nächste Kreuzung aufsuchen, anhalten, starten, gewinnen, immer im Auto, in tendenziell austauschbarer Umgebung, der es an Plastizität und, vor allem, an Menschen fehlt. Hinzu kommt, dass der neuste "Burnout"-Ableger sämtliche Wegbegrenzungen negiert und stattdessen das aus "Grand Theft Auto" mittlerweile beliebte Open-World-Prinzip samt dynamischem Tag- und Nachtwechsel aufgreift, was zumindest anfangs Unübersichtlichkeit evozieren kann. Sei die grafische Präsentation, insbesondere in Anbetracht des exzellenten Schadensmodells, noch so überzeugend – die obligatorische Testosteronausschüttung meldet sich ob der Abgespecktheit erstaunlicherweise allenfalls bedingt zu Wort. Vielleicht hätte Criterion neben einem lineareren Streckensystem den allseits beliebten Crash-Modus beibehalten sollen.


"Grand Theft Auto IV"

Nach nun mehr als 80 Stunden Spielzeit (was in etwa 90% Spielfortschritt entspricht) präsentiert sich das vielfach als Überspiel kolportierte sechste Open-World-Abenteuer aus dem Hause Rockstar vielleicht nicht als Überspiel, wohl aber als vielschichtige Dekonstruktion, als intelligente Satire des amerikanischen Traums, in der Nutten, Sadisten, Küchenschaben, Korruption und fette Knarren das zusammenhalten, was sich in Liberty City Zivilisation nennt. Rockstar überschreitet die Grenzen des konventionellen Videospiels und kommentiert das Spielgeschehen mit zynischen Seitenhieben auf Amerikas bunte Bonbonwelt. Die Dialoge sind geschliffen, die Figuren durchgeknallt, Gewalt explizit eingefangen. Dazu lernt der Spieler Liberty City kennen, die vermutlich detailreichste Stadt in der Geschichte des Videospiels, kann sich darin in vielen Identitäten nach Herzenslust austoben, ob in Form eines Drogendealers, eines Ordnungshüters, eines Taubenjägers oder ganz einfach eines desillusionierten Kriegsheimkehrers, der sich vom Taxifahrer zum Profikiller für FBI und Mafia hocharbeitet. Mag "San Andreas" im direkten Vergleich zwar das umfangreichere und gerade in den Missionen ungemein originellere Spiel sein, entwickelt "Grand Theft Auto 4" allerdings einen ganz eigenen Charakter, da sich Rockstar zum ersten Mal vom Comic verabschiedet und stattdessen dem Realismus in geradezu referenzverdächtiger HD-Grafik frönt.


"Tekken 6"

"Tekken"-Fans erster Stunde blicken auf ein durchwachsenes Beat 'em up-Game mit einigen Höhen, aber auch vielen Tiefen zurück. Erstaunlicherweise kann der Spieler gleich aus allen Kämpfern auswählen, ohne in endlosen Konfrontationen dafür zu sorgen, dass jene erst freigeschaltet werden müssen. Hinsichtlich der nochmals überarbeiteten Physics-Engine sowie dem neu hinzugekommenen Designmodus kann sich Namco nichts vorwerfen lassen. Die Kämpfe präsentieren sich als abwechslungsreich, wenngleich etwas zu schwer selbst im leichtesten Schwierigkeitsgrad konzipiert (besonders frustverursachend, wenn der Spieler in die Ecke gedrängt wird) und kokettieren mit einem gehörigen Maß an Taktik, die blindes Draufgekloppe bar jeglicher Deckung vornherein obsolet macht. Dagegen versäumt es "Tekken 6" einen vernünftigen Kampagnenmodus zu integrieren. Dieser wird lediglich von langatmigen Zwischensequenzen zusammengehalten, während die Spielfigur im actionreicheren Part mittels schwammiger Steuerung in unmöglichen Kamerapositionen irgendwie versuchen muss, reihenweise Gegner K. o. zu schlagen. Hier wären Abwechslung und Handling die beiden Schlüsselwörter gewesen. Abgesehen davon muss die Lupe spätestens im (lieblos gestalteten) Hauptmenü herausgeholt werden, und zwar in dem Moment, als man mit Bestürzung feststellen muss, dass die Texte vermutlich Schriftgröße sechs besitzen. Was bleibt also übrig? Nostalgisches "Tekken"-Feeling, wo jede Menge klassische Elemente und Spielmodi auf ein insgesamt holprig ausgearbeitetes Gesamtkonzept prallen, das dementsprechend viel Luft nach oben lässt.