Donnerstag, 15. September 2011

"Thirteen Days" [USA 2000]


Meisterstück geschichtlicher Rekonstruktion von Besagtem und Erfundenem, transferiert ins rein Filmische, ein Lehrstück, wie eine ausgefeilte Dramaturgie mit erlesenen Darstellern Zahnrad um Zahnrad ineinandergreifen kann. Obgleich der Ausgang jener historischen Zäsur, dieser einschneidenden 13 Tage kurz vor dem drohenden Untergang der westlichen Hemisphäre, bekannt sein sollte, fesselt Roger Donaldson mit einem kaum nervenstärkeren, kompakten wie geschliffenen Krimi, verwandelt das Weiße Haus in einen erdrückenden Ort, wo die Politik und die Diplomatie Gegenstand eines dicht gesponnenen Psychothrillers sind. Erzählt aus den Augen der Kennedy-Brüder (unmenschlichem Druck aller Couleur ausgesetzt: Bruce Greenwood, Steven Culp) und ihres persönlichen Beraters, Kenneth O'Donnel (Kevin Costner), zeigt Donaldson Mechanismen, Apparate, Debatten, Lösungen und Lösungsvorschläge, Verwicklungen, Verwirrungen und Verkomplizierungen einer um Schadensbegrenzung gegenarbeitenden Großmacht gegen die andere Großmacht, ohne die andere Großmacht zu fokussieren, weil "Thirteen Days" ausschließlich subjektiv von innen heraus amerikanisch seziert. Der materielle Krieg ist zum psychologischen Nervenkrieg grauer Männer in grauen Räumen verkommen, Waffen werden gegen Argumente, Rüstungen gegen Kugelschreiber, Befehle gegen Aktenordner eingetauscht, ein Wort genügt, ja oder nein, Atombombe oder nicht, maximal drei Buchstaben simplifizieren den Irrsinn über Leben und Tod. Zu zwei Hauptströmungen kehrt Donaldson immer wieder zurück: Zum einen bemüht um Veranschaulichung, inwiefern sich der Pragmatiker Kennedy gegen die mit der Nuklearwaffe förmlich winkenden Belange des rechtskonservativen US-Militärs durchzusetzen versucht. Zum anderen um Analyse konzentriert, inwiefern der Besonnene Kennedy zu seinen eigenen Stabchefs eine moralische Gegenposition vereinnahmt. Gehüllt in ein semidokumentarisches Kleid aus schwarzweißen Original-, Archiv- und Fernsehaufnahmen, vermittelt "Thirteen Days" Politik als beinharte Herausforderung, die aus Hauptsätzen und Zeichensprache besteht, aus der Furcht vor dem falschen Zeichen, die zu gegebenen Umständen nur mit einem Schluck Hochprozentigem erträglich scheint. Trotz fehlender Action verdammt actionreich, hochexplosiv, kammerspielartig und rhetorisch eindringlich bis schier mitreißend, stets am Rande des Scheiterns entlang schlitternd, dann wieder aufrappelnd, dann wieder die nächste Enttäuschung, neuer Vorschlag?

8/10