Mittwoch, 24. Juli 2013

Spielberg-Retro #16: "Krieg der Welten" / "War of the Worlds" [USA 2005]


Den Weltuntergang, den Zusammenbruch der zivilisatorischen Ordnung einzuleiten, dafür hätten die Meister des Materialverschleißes klare, prollige Anfangsbilder. Roland Emmerich würde mit einer Rakete beginnen, Michael Bay mit der dazugehörigen Explosion. Ihre Invasionsszenarien wären so absehbar wie erwartungsbestätigend, sie würden lediglich ihren vorgefertigten Weg gehen, ohne dass sich jemand dabei entrüstet zeigen würde, weil die Gewohnheit längst salontauglich geworden ist, dass das, was wir zu sehen glauben, sich automisch bestätigt. 

Steven Spielberg dagegen beweist Geschick und Ambition, denn sein "Krieg der Welten" nach der Weltliteratur-Paranoia von H. G. Wells entlädt sich in dem Grauen, das wie beiläufig erscheinen muss: Der Himmel erbebt, die Sträucher zittern, Asche und Stofffetzen wirbeln durch die Luft. Beißender Regen und ein fleischiges, saftiges, matschiges Blutrot ergießt sich über die Weiten der Natur zu ölverschmierten Gemälden einer minutiös durchorganisierten Planetenausrottung. 

Wenn "Krieg der Welten" als eine der nihilistischsten Arbeiten Spielbergs gilt, dann erschließt der Film im Gegensatz zu jenen Krawallbrüdern wie Emmerich und Bay zugleich etwas, was die Verhältnisse, gerade nach "Catch Me If You Can" und "Terminal", umkehrt – Steven Spielberg geht einen neuen Weg. So unverblümt infernalisch, so teuflisch deprimierend verwandelte lange kein aufs postmoderne Einschlafmärchen spezialisierter Mainstream-Filmemacher mehr den Trugschluss eines verzerrten Amerikabildes in einen pochenden, dröhnenden, keifenden Alptraum, der in der Hektik zusammenbrechender moralischer Wechselbeziehungen, deren Verwirrung, was als nächstes zu tun ist, und schließlich in einem politisch gerechtfertigten, allerdings zu kurz greifenden Aktionismus den Verweis zum 11. September 2001 sucht, ja regelrecht ausstellt.

Spielbergs brodelnder Alien-Gigantismus in seinen kreiselnden Kameradrehungen, in seiner rasenden Williams-Verfolgungsmusik, in seinem weißen Gegenlicht, in seinen monochromen Farbstichen und in seinem grobkörnigen Naturalismus belebt den Genrefilm der 50er, um im modernen Blockbuster-Korsett tiefere (Spielberg-)Ideen auszudenken, Menschen mit einer unkontrollierbaren Gefahr zu konfrontieren, die wider Erwarten hereinbricht. Vielleicht ist "Krieg der Welten" nicht unbedingt intelligent genug zu wissen, wann sich dies mit bizarrstem Humor beißt.



Denn weder eine in einem Schuppenlabyrinth ausgiebig durchexerzierte "The Abyss"-Hommage noch das "E.T."-Fahrrad mitsamt einigen außerirdischen Knuddeltierchen, die Spielberg allzu häufig direkt zeigt und zuweilen parodistisch grundiert, verleugnen ein Ungleichgewicht der Dramaturgie, neben bitterstem Defätismus immer noch Zeit zu haben für einen albernen Scherz. Auch der Schmalz des ohnehin abgeschmackten, strukturell verknappten Deus ex Machina-Endes verrät die Konzeption der Dunkelheit, indem urplötzliche kathartische Erleichterung den Verdacht unterstützt, dass Spielberg den Film (auf seine Weise) schnellstmöglich zu Ende bringen wollte. 

Am eindrücklichsten ist "Krieg der Welten" eher dann, wenn er das Spektakel in einem Spektakelfilm vollständig konterkariert, wenn ein unschuldiges Kind (Dakota Fanning) einen kaum kontrastreicheren Gegenpol des Lebens in der totbringenden Katastrophe bildet, wenn sich dessen tiefe Flüsterstimme aus der Schwärze der Nacht erhebt und das Überleben maßgeblich davon abhängt, ob die Stimme versagt oder nicht. Da Spielberg seinen Weltuntergang familiär ohne weitgehenden Wissensvorsprung unterfüttert und bis zuletzt aus dieser Perspektive ungemein ökonomisch erzählt, verringert er gleichzeitig den redundanten Bombast, der einen Film dieser Größenordnung zu dominieren droht. 

Militärische Vergeltungsschläge werden im Zuge dessen durch Grashügel verdeckt, ein Mord mit einem Kinderlied begleitet, eine Brücke im Hintergrund des Bildes zerstört, während sich die Angriffe der Invasoren in verzerrten Miniaturausschnitten der Wirklichkeit abspielen, in Seitenspiegeln und Rückspiegeln von Autos, im Display der aus der Hand geschlagenen Videokamera, im Licht und im Schatten. Für den Prozess der Aktion interessiert sich Spielberg selten, alles, was übrigbleibt, sind die Resultate der Finsternis. "Krieg der Welten" als handelsüblicher Blockbuster verwehrt sich somit dem Blockbuster-Gebaren umso konsequenter, je konzentrierter Spielberg Form und Inhalt vermischt. Es ist ein seltsam schöner, ein seltsamer intimer, ein garantiert unvorhersehbarer Blockbuster kleinerer Größe. 

6 | 10