Freitag, 13. Juli 2012

Die imposanten 7: Akte X-Folgen [Season 1]

    #7 
»EVE«
(E07)


Ein verschlungener, kniffliger Fall mit Dopplungen überall, mit Klonen, Zwillingen und verborgenen Eigenschaften. Lässt die anfängliche Mordserie mit ominösen Malen am Hals der Opfer auf eine altbackene, auf eine etwas reißerische Alien-Geschichte schließen, so belehren einem die Ermittler vom Dienst, Dana Scully und Fox Mulder, zügig, dass es hier stattdessen um verlorene menschliche Laborversuchskaninchen geht, die von deren Mutter, der Forscherin, zurückgeholt werden. Die Schlusseinstellung erinnerte mich an Żuławskis "Possession"; sie ist ähnlich verstörend wie rational nicht greifbar, höchstens im Unterbewusstsein. Was "Eve" auch anbietet: zwei fiese Kinder, zwei fiese Entführungen und zwei Cola-Becher mit fiesem Inhalt. Als sich die Ermittler nämlich dazu entschieden haben, eine Diät-Cola zu trinken, haben sie zunächst keine Ahnung, wie ungesund Diät sein kann.     

   #6  
   »DER KOKON«   
»DARKNESS FALLS«
 (E20)


"Der Kokon" erinnert strukturell an die Folge "Eis" mit dem Unterschied, dass der Bezugsrahmen für die ebenso zwischenmenschliche wie geografische Isolation variiert und in einen glitschigen Wald verlagert wird. Dort hausen giftig grüne Glühwürmchen, die spontan in Entfesselung geraten, nachdem ein Jahrhunderte alter Baum abgeholzt wurde und sie ihre Opfer in bizarre Kokons nicht nur einspinnen, sondern auch  konservieren. Weniger buchstabiert diese Episode Spannung aus ihrer Ausweglosigkeit, den sukzessive flackernden Lichtquellen und dem engen Raum, wo die Figuren einander eingeschlossen sind vor der Bedrohung da draußen in der Dunkelheit. Vielmehr kontrastiert "Der Kokon" die Verdichtung einer Situation augenzwinkernd mit dem Ringen um die Gesetze der Natur: Zwei Interessengruppen bekriegen sich um deren Zukunft – eine davon wird getötet.

  #5  
  »BESESSEN« 
»SPACE«
 (E09)


…forciert den Gedanken, dass der Weltraum immer noch die entsetzlichsten Wesen gebärt. Hier ist es eine Fratze, die Fratze des Grauens wahrscheinlich, wie man das so blumig zu umschreiben gedenkt, die einen Projektleiter befällt, wodurch zahlreiche Sabotageakte an Space Shuttles resultieren, deren Besatzung lebensgefährliche Komplikationen im All umschiffen muss. Funkverbindungen brechen ab, geisterhafte Gespenster flattern umher, obskure Gesteinsformationen auf fremden Planeten und ein Chef im seelischen Ausnahmezustand – Stoff, aus dem die Paranoia gedeiht und der Schweißhaushalt kräftig durchgeschüttelt wird.  Entgegen der landläufigen Meinung, dass es sich hier um eine der schwächsten "Akte X"-Folgen handelt, empfand ich sie als sehr beklemmend. Das hohe Budget sieht man ihr jederzeit an. 

 #4 
   »DIE BOTSCHAFT«   
»BEYOND THE SEA«
(E13)


Gewissermaßen das Gegenstück zu "Ewige Jugend", ist es doch hier (Gläubigerin) Dana Scully, die eine tiefergehende Ambivalenz erfährt. Ihr Vater starb (ein geheimnisvolles Seriengesicht: Don S. Davis) und zeigt sich ihr gegenüber als Geist, dessen letzte Worte Scully nicht verstehen kann. Zwei Handlungsstränge vermengt die Episode dafür: die Suche nach zwei entführten Teenagern und das Finden durch halluzinatorisch-telekinetische Kräfte eines eingesperrten Todesstrafenkandidaten, der von Brad Dourif expressiv gespielt wird. Schwarz-weiße-Rückblenden, Visionen und das Hier und Jetzt evozieren eine zeitversponnene, sich mit erkundeten Bildern gegenseitig überlagernde Reise, in der Glauben noch lange kein Wissen bedeutet. Pointiert: Wie Mulder seinen Bekannten in der Zelle zunächst per Sportshirt täuscht. Was hatte der Vater eigentlich nun zu sagen?

  #3  
   »EWIGE JUGEND«   
»YOUNG AT HEART«
(E16)


Organischer Body-Horror, als ob sich David Cronenberg die bei einer absonderlichen Operation mutierte Salamanderhand höchstpersönlich ausgedacht hätte. Der Patient, Serienmörder und Gefangener, verjüngt sich angesichts einer revolutionären Methode um Jahrzehnte  – bis auf die kalten Augen –, damit er mit Mulder noch eine offene Rechnung begleichen kann. Dieser tötete ihn in seiner Anfangszeit als FBI-Agent bei einem Schusswechsel, durch den zwei Menschen, darunter ein Kollege, getötet wurden. Die Folge gefällt, weil sie in Vergangenes blickt und das Trauma Mulders aufarbeitet, die Figur demnach komplexer gestaltet. Neben dem suggestiven Umgang mit Schatten (der von den Toten wiederauferstandene Killer telefoniert ausschließlich im Unheimlichen, sodass das Gesicht dem Zuschauer lange verborgen bleibt), donnert das Orchester im Hintergrund religiösen Choral.

  #2  
   »DAS LABOR«   
»THE ERLENMEYER FLASK«
(E24)


Das morbide Staffelfinale einschließlich grünem Blut menschenähnlicher Wesen, das aus einer der Wissenschaft zugeneigten Theoretikerin eine, gleichwohl vorerst, überzeugte Glaubensschwester macht, nachdem sie – in der intimsten Szene der gesamten Staffel – ein Alien-Embryo in der Hand halten darf. Infolge dessen thematisiert "Das Labor" die erste biochemische Vermischung zwischen Menschen, die an unheilbaren Krankheiten leiden, und Genen von Außerirdischen. Wie gewohnt unterdrückt die Regierung jegliche Beweise; Mulder wird gefangen genommen, Deep Throat wird angeschossen (erschossen?) und die Abteilung der X-Akten steht vor kurz vor ihrer Schließung, bevor die Folge genauso endet wie die erste. Die Fragen sind gleich geblieben, die Antworten aber kaum in Reichweite, solange die Wahrheit noch da draußen ist.    

  #1  
»DAS TÄUSCHUNGSMANÖVER«  
»E.B.E.« 
(E17)


In einer der düstersten Mythologie-Folgen verfolgen Scully und Mulder einen LKW-Schwertransport, der Teile eines abgestürzten Wracks einer außerirdischen Existenz zu einem streng geheimen Lagerstützpunkt befördert. Entlarvende Einblicke in die Manipulierung von Fotomontage und Vorzeigeverschwörungsnerds kreuzen sich in einem Roadmovie auf einsamen Landstraßen. Nie war "Akte X" in dieser ersten Staffel leidenschaftlicher in der Auseinandersetzung mit der Wahrheit und deren Lüge, dem Glauben an das eine und der Zwang, wie ein Hai immer weiter im Wasser der bedingungslosen Aufklärung zu schwimmen, bevor man von dem anderen gefressen wird. Am Ende entschwindet Deep Throat dem Nebel, weil die Wahrheit oft diffus und unter dem Dickicht an schleierhaften Geheimnissen kaum zu finden ist.