Freitag, 1. Dezember 2017

"Blade Runner 2049" [USA 2017]


Das Verwaschene unter Laborbedingungen, Gesichter, die zu perfekt sind, meist kosmisch zerrinnen, Körper, die sich nach (sexuellem) Kontakt sehnen – auch die Fortsetzung "Blade Runner 2049" will das Echte greifen. Es gelingt nur nicht. Replikantenvermesser K (Ryan Gosling) muss sich einem anonymen, künstlichen Apparat beugen, der ihn auf eine Odyssee durch das Verbliebene dessen schickt, was war und ist. Franz Kafkas Semikolons waren rechtwinklige Abzweigungen im Labyrinth, das nie endete, jedes Semikolon ein kurzes Stocken im Leserhythmus, ehe der Satz sich weiterentfaltete, ein Innehalten vor der Richtungsänderung. Reihenweise Fragmente, durch ein Semikolon verbindende Kurzfilme ("Die Farm", "Die Geburt", "Die Kinder", "Die Erinnerungskonstrukteurin", "Die Geisterstadt", "Die Rettung") – das ähnelt der Struktur, die Denis Villeneuve einem Epos angedeihen lässt, ohne das Original (atmosphärisch) nachzustellen. Wo "Blade Runner" versifft war, ist "Blade Runner 2049" gereinigt, 2017, immersiv zwar, aber auch aufgeräumt, ordnungsschaffend, vielleicht artifiziell, eine stilsicher ausgeleuchtete Installation? 

Denn an Transzendenz fehlt es diesem Film. Sicher muss es ihm daran fehlen – die Welt floriert nicht mehr, sie stirbt den Neontod, heute. Kalte Schönheit. Abstrakte Architekturen, die Angst vor Nähe, vor Berührung. Es ist ein anderer "Blade-Runner"-Film, einer, der mehr Detektiv- als Gedächtnisarbeit ist, mehr schweres Verirren als sanftes Verlieren. Deshalb jedoch überbieten sich erst jene Reste an Transzendenz in ihrem wirkungsvollen Taumel, die sich Villeneuve zutraut, ein präzise arbeitender Bilderarrangeur, der Emotionen sonst unter Verschluss hält. Ein "echter" Film ist "Blade Runner 2049" dann, wenn die Schneeflocken rieseln, der Sand die Sicht erschwert, die Bienen akustische Signale aussenden, Signale, die tierisch sind und menschlich (also: leibhaftig) greifbar werden. In "Blade Runner" triumphierten die Erinnerungen, weil sie nicht umprogrammiert werden konnten, weil sie das Gedächtnis des Selbst und das kulturelle Gedächtnis formten. In "Blade Runner 2049" dagegen obsiegt die Materie über den Geist, obsiegen die Berührungen, die stets das Originale, das Erinnnerungsechte, ertasten, immer. Trost.                 

7 | 10