Mittwoch, 17. Januar 2018

Kurzfilm: "Die Reise zum Mond" / "Le voyage dans la lune" [F 1902]


1902, der Film lernt laufen, noch mit Krücken, Gips, Verbänden, ein wackliges, fragiles Konstrukt, so unverbraucht wie visionär. Georges Méliès' "Die Reise zum Mond" gehört zum Anfang, zur Geburtsstunde, zur ersten Entwicklungs- und Evolutionsstufe der Magie, die im flackernden, knackenden Projektorlicht Unsterblichkeit errang. Verbunden ist damit ein romantisch-kindlicher Weltenbau, dessen Signatur, die Signatur eines Fantasten und Enthusiasten, Historisches bewirken sollte. Ungebrochenen Pioniergeist durchdringt diesen immer noch und immer wieder putzigen Kurzfilm, seine formale Statik, seine darin wirbelnden Bewegungen, seine expressionistischen Gutenachtassoziationen, sein Herz, das gebraucht wurde, etwas zu schaffen. Und seine unlängst staubbedeckten Erzählhaltungen und Figurenbilder erst, die, über 100 Jahre später, längst vom Zeitgeist eingeholt wurden: skeptisch dreinschauende, dann aber überzeugte, eifrig bastelnde Wissenschaftler, fremde biologische Organismen, die feindlich reagieren, sich gleichwohl per ausholendem Schlag in Dampf auflösen, Absturz, Rettung, Folklore. Eine Raumkapsel landet im Mondgesicht, ein Regenschirm mutiert zum voluminösen Pilz. Wie naiv, wie unendlich liebenswert, dieses futuristische Abenteuer, das den Aufbruchsgedanken in vielerlei Hinsicht in sich trägt – Aufbruch zu neuen Gebieten der Forschung, Aufbruch zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten von Träumen und Wünschen, die für alle verfügbar und gemeinsam abrufbereit scheinen. Lediglich die Eintrittskarte muss gelöst werden. Im dauerblinkenden Smartphone-Zeitalter sollte "Die Reise zum Mond" unsere ganze Aufmerksamkeit erhalten.

6 | 10