Mittwoch, 21. November 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #7


»DIE WELT IST NICHT GENUG«
»THE WORLD IS NOT ENOUGH« 
(GB, USA 1999; Regie: Michael Apted)

Erst im choreographierten Motorboot-Verfolgungseinerlei angedeutet, dann visuell chiffriert: Ein prasselnder Ölregen, aus dessen schwarzen Tropfen die Lust und die Begier schlüpft. Der Tropfen symbolisiert die Libido, die Weiblichkeit neben mechanisch hämmernden Ölbohrmaschinen mutiert zur bedrohlichen Verführbarkeit für jeden Helden. "Die Welt ist nicht genug" handelt von dem Epizentrum Frau und ihrem Fleisch, vom Fühlen und der Taubheit, und wie dies alles mit der Welt zusammenhängt, die für jeden Helden nicht genug sein kann. Spätestens hier aber, mit Brosnans vorletzter Mission "Die Welt ist nicht genug", beschleicht einem das Gefühl, dass der Befreiungsschlag James Bonds zwei Filme danach eine so schlechte Idee gar nicht gewesen sein kann. Denn mehr noch als "GoldenEye" umrandet Michael Apted einen Plot, der unter seiner unentwirrbaren Schwere zu leiden hat, die unter der thematischen Kreuz- und Querschieberei (Ms Familienangelegenheiten, Kontrahentendezimierung, Plutoniumbohei) zu keiner Stringenz und Konzentration führt. Auffällig: die an lasziver Doofheit entlangschrammenden Bond-Tyranninnen, ausgediente Action-Kulissen (Ski-Piste, U-Boot) und einer der belanglosesten Bond-Bösewichte aller Teufelszeiten. Dieser hätte das Gewohnheitsbild der physisch wie psychisch deformierten Kreaturen aus vergangenen Bond-Dekaden weitertragen können, hat jedoch an einem verkürzten Drehbuch(dackel)blick zu leiden. Q versinkt im Boden, der Nachfolger steht bereit und Bond entkommt Hubschrauber-Sägeblättern – spärlich gesäte Highlights einer erschreckenden Bond-Fantasielosigkeit. 


»STIRB AN EINEM ANDEREN TAG«
»DIE ANOTHER DAY«
(GB, USA 2002; Regie: Lee Tamahori)
 
Was hätte aus "Stirb an einem anderen Tag" werden können, wenn er bis zum Ende das angeheiterte Spiel mit den Reminiszenzen durchgehalten hätte, jenes Spiel nämlich, das irgendwann funktioniert und irgendwann im Green-Screen-Trash absäuft? Der zwanzigste Jubiläums-Bond-Film gestattet sich die Selbstverständlichkeiten, auf die Jahre davor ziemlich wehmütig hinzuweisen, und dort ist er wohl am spaßigsten: In Qs verrückter Schrottaufbewahrungshalle lagert der Messerschuh aus "Liebesgrüße aus Moskau" und der Jetpack aus "Feuerball", einige Szenen weiter darf der Laser aus "Goldfinger" Halle Berry bedrohen, die übrigens in Kuba Ursula Andress' Bikinigang lüstern imitiert. So weit, so gut, aber da Lee Tamahori das artifizielle Videospiel entschiedener gewichtet, gerät das Gleichgewicht der Dramaturgie zwischen traditionellen (der Eispalast) und neumodischen Bond-Elementen (ein formelhafter Gegenspieler) mit jeder weiteren Comic-Aktion außer Kontrolle. Das ist oft und nicht zu wenig ein Fremdschämer im Kleinman-Titelkontrast von Hitze und Kälte, der die Anmut und Unbequemlichkeit seiner abwechslungsreichen Schauplätze im hässlichen Computer-Technizismus ihrer Identität beraubt und hauptsächlich den Konsens verhätschelt, den ein ordentlicher Bond-Film immer mit Hilfe einer Prise Inspiration ausgleichen konnte. Bond-Fans sollten nichtsdestotrotz genau hinschauen – zum ersten Mal wird Bond im Flugzeug gezeigt, auch mit Vollbart, und auf den Kuss mit Moneypenny durfte man schließlich viel zu lange warten.     

Gesamtwertungen: 4 | 10     4.5 | 10