Mittwoch, 10. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #1


»JAMES BOND - 007 JAGT DR. NO«
»DR. NO«
(GB 1962; Regie: Terence Young)

Der auserlesene Weltbürger, der schneidig-drahtige Männlichkeitskrieger, die Galionsfigur des gesunden Sexismus im ersten (offiziellen) Einsatz, selbstverständlich autorisiert mit Doppelnull-Lizenz und echtem Walther PPK-Schusswaffengerät. 007, jene Nummer, die zuvor einschließlich Zigarette und dem abschätzigen Blick auf eine in Rot nagellackierte Dame sinnlich eingeführt wurde, jagt Dr. No (quasselige Weltherrschaft: Joseph Wiseman), und danach war kein einziger Bond-Film mehr so ungeschliffen und so puristisch und so von sich selbst irritiert entlang der harten und der weichen Gesten ohne draufgängerisches Pathos. Ein betäubend schwüler Technicolor-Urlaubsfilm, den man auf ein Glas hochwertigen Wein im eigenen Boot zu hoher See genießt. Connery spielt Bond noch etwas unausgeglichen zwischen jähzorniger Bosheit (er erschießt einen Professor kaltblütig) und überheblicher Skurrilität (er klebt seinen Schrank per Haarsträhne ab, um die Schnüffler zu überführen) zum durch Lüftungsschächte kriechenden John McClane der 60er. Trotzdem kristallisieren sich die Variablen der Bond-Formel heraus, während andere weggekürzt bleiben; kein Song, aber ein elektroheißer Maurice-Binder-Vorspann, keine Spielzeuge, aber ein getarntes Bücherregal, kein Sex, aber ausschweifende Küsse und schokoladensüße Damen (Honey!), kein sonderlich zerstörungswütiger Showdown, aber eine als pompöses Gefängnis kleinstädtisch eingerichtete Ken-Adam-Operationszentrale, radioaktiv und bissig. Die Blechblas-Barry-Rhythmen gewähren Bond indes, eine Tarantel zu erschlagen. Als Bond schlägt, schlägt er im sinnesberauschenden Takt des Barry-Scores.


»LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU«
»FROM RUSSIA WITH LOVE«
(GB 1963; Regie: Terence Young)
 
In einer Szene entblößt sich Bond vor der dampfenden Badewanne und zeigt der Kamera seine Brusthaare, die begehrtesten weiblicher, zähnefletschender Begierde. Connery stellt genauso seine Brusthaare zur Schau wie das zweite Bond-Abenteuer die markante Bond-Ikonographie füttert: der blutige Pistolenlauf zu Beginn, die Rückenansicht Blofelds und die weiße Katze des Schurken, wohingegen Bond als der zerstörerischste Abgesandte des Konsumkapitalismus einen Koffer erhält, dessen Inhalt mörderisch ist. Ohne geschüttelten Wodka-Martini wirft er sich ein weiteres Mal in die Schlacht, und diesmal arbeitet er sich wieder an der nummerierten Hierarchie des "Phantoms" ab. Quer durch Venedig und Istanbul, in denen das Überwachen des Feindes ein Gruß an die freundschaftliche Normalität ist, evoziert der Schutz einer Dechiffriermaschine nahe der Ländergrenzen orientalisch-byzantinische Romantik im Zusammenprall der Kulturen zwischen Briten und Russen. Mancher Einfall trifft ins Schwarze – der Gangster flüchtet durch den Mund eines Frauenplakats, ein Schuh mit Giftmesser, eine "Mission: Impossible"-Maske, eine Hitchcock-Referenz, ein minutiöser Szenenaufbau im Zug, der in einer ungeheuerlichen Prügelei explodiert. Der Kalte Krieg erwärmt währenddessen, man möchte sagen, er war nie heißer, wenn sich die einleitenden Schriftzüge über die wackelnden, vollbusigen Körperteile schlängeln. Ein tanzender Bond, naturalistisch und doch urban, aber unverhohlen chauvinistisch. Da kriegt die Frau Bonds glatt eine gescheuert.      


»GOLDFINGER«
(GB 1964; Regie: Guy Hamilton)

Regisseurwechsel, aus Terence Young mach' Guy Hamilton, prompt wurde Bond zu dem, als der er sich zum Archetyp der Legendenbildung emporschwang. Die Modifizierung Bonds schlägt zwölf, er nimmt endlich seinen extraspeziellen Aston Martin murrend entgegen, betrat davor die Waffenkammer des Waffenmeisters und ist bereit, stets mit Hilfe eines lockeren Spruchs dem Tod von der Schippe zu springen – und seine Widersacher damit wahnsinniger als wahnsinnig zu machen. Wo sich Bond im Vorgänger einer giftigen, schlagringschlagenden Frau gegenübersah, betritt er nun das Feld gegen zwei der schillerndsten Fieslinge in den Rollen ihres Lebens: einmal fettleibig (Gert Fröbe, der die innere Schwärze mit kumpelhaftem Gold überzieht), einmal asiatisch, eben tödlich-scharf (Harold Sakata). Inmitten des innbrünstigen Bassey-Songs, durchbrechendem Laserlicht, drehbaren Billardtischen, brutalen Elektroschocktherapien sowie zwanghaftem Größenwahn gegen westliche Bevormundung, besteht "Goldfinger" mehr oder minder aus obskuren Attrappen und krummer Täuschung in goldiger Ummantelung: das pointierte Kartenspiel, das gerissene Golfspiel, multifunktionale Autos und lackierte Pistolen, ein Flugzeug samt Guckspiegeln, Goldfingers protziges Refugium, das – Achtung NS-Analogie! – vorzugsweise all jene Eindringlinge vergast, die nicht ihr Portemonnaie öffnen. Durfte man in "Dr. No" erstmals in das Innere eines Atomreaktors blicken, reproduzierte Ken Adam für den dritten Teil zudem Fort Knox, ein Kentucky-Traum aus Stahl, Beton und hypnotisierender Schwere.         

Gesamtwertungen: 7 | 10     6 | 10     7 | 10