Mittwoch, 15. März 2017

"Logan - The Wolverine" [USA 2017]


Aus Wolverine (Hugh Jackman) ist ein Fleischbündel geworden, ein Entrechteter. Inmitten des aufgewirbelten Staubes verkriecht er sich, Siechtum, Sterben. Mit ihm stirbt ein Held, aber kein Freund. "Logan – The Wolverine" ist der Abgesang auf einen großen Freund, meinen großen Freund. Gemäß einer "Umwertung aller Werte" trägt Wolverine, das Tier, und Logan, der Mensch, einen fatalistischen Trauerflor – so wie dieser letzte Film, sein letzter Film, im Begräbnis zu leben scheint. Irgendetwas ist anders, die Krallen schwerer, der Atem vergifteter, der Gang hinkender. Wolverine will nicht, Logan muss. Die Tragödie dahinter ist die, dass das Tier nicht mehr zum Menschen gehören will, aber der Mensch determiniert zum Tier zurückkehren muss. Wieder und wieder. Kann ein Mensch "sein"? Oder "ist" er lediglich jener, der er immer war? Um diese philosophisch-anthropologische Frage dreht sich alles, und "Logan – The Wolverine" verknüpft sowohl humanistische als auch nachdenkliche Deutungsansätze zu einem unerhört schönen Zärtlichkeitsbewusstsein.   

Logan kann seiner Natur nicht abschwören, aber wo vergleichbare Franchise-Filme ihrer Vergänglich- und, schließlich, Vergesslichkeit anheimfallen, ist Vergänglichkeit diesmal der Motor für die Handlung, das Vergessliche für das noch Lebende in einem Whiskey-Klagelied einzustimmen. Hätte sich Sam Peckinpah noch einmal aus dem Grab erhoben, um einen letzten, einen allerletzten Heldenfilm aus dem Wüstensand zu stampfen und gleichzeitig jegliche glorreichen Heldenmechanismen zu zerbröseln, es wäre dieser gewesen: dieser Film, dessen Held (mit allen Ecken und Kanten) niemals den Abspann überleben wird, als würde die Gewissheit über seinen Untergang von vornherein feststehen, trennt die wirklich wichtigen von den wirklich unwichtigen Gesten. In Würde altern. In Würde sterben. Peckinpahs Verlierer und Mangolds Logan verlieren im besten Sinne ihr Leben. Gleichwohl sind sie sich im Augenblick der Auslöschung ihrem Glück bewusst, bis zuletzt etwas "getan" zu haben. Zum Beispiel ihren Job. Das war ihr Ideal. Aber die Wiederkehr kennen beide nicht.   

Somit traut sich "Logan – The Wolverine" eine Vision zu, die Utopie und Dystopie in einem ist, der Sehnsucht nämlich, das Ruppige, Auseinanderdriftende, Entwurzelte eskapistisch aufzubereiten. Andererseits jedoch an kein höheres Sein zu glauben, das Logans unumgänglichen Tod hoffnungsvoll transzendiert. Das Kreuz, es wackelt nicht. Von vor 100 Jahren erinnert sich dieser Film, dort, wo ein Abschied noch beweint wurde, es aber dennoch weitergeht, weitergehen muss. Ein wunderlicher, ein stoischer Blockbuster ist das, dem jede innerlich entspannte Fluffigkeit entgleitet. Fleisch und Blut gehen im wahrsten Wortsinne Hand in Hand, wenn Logan und Laura (Dafne Keen) übrig gelassene, zerstreute wie verstreute Weltpropheten verkörpern. Logans Zerrissenheit veräußerlicht Mangold, indem er Logan einen zweiten (antagonistischen, daher weitaus weniger reflektierten) Logan zur Seite stellt. Inhärent war den "X-Men"-Filmen genau dieser Zwiespalt öffentlichen wie privaten Entblößens, das nun einem Entweichen den Platz freigeräumt hat, dem Entweichen und Entschwinden der großen Tage.

Auch wenn der Film in "naher Zukunft" angesiedelt ist, merkt man davon fast gar nichts. Vielleicht, ein kühner, nicht allzu abwegiger Gedanke, dürfte die Zukunft tatsächlicher abgestorbener sein als die Gegenwart, denn Logan bugsiert Professor X (Patrick Stewart) durch ein skelettiertes Land am Rande der (Comic-)Zivilisation, in dem die Industrie brachliegt, Wasser abgeschöpft wird und der Hauch der Zeit rostet. Umso orgiastischer verleihen die vielen schneidenden Actionsequenzen ihm ein wenig Widerwillen gegen die völlige Abstumpfung des Gemüts. Außer ein paar lakonischen Spitzen, die Jackman gewohnt bärbeißig ausspielt, verkneift es sich Mangold zudem, die Ernsthaftigkeit von der Ironie untergraben zu lassen. Subtil skizziert er Annäherungen, Berührungen, Bewegungen mit der Sensibilität eines Geschichtenonkels, der seine letzte Zeit, die ihm bleibt, als Freund verbringt. "Logan – The Wolverine" wird irgendwann ebenfalls vergessen sein, ohne Kreuz. Aber endlich ist ein "Schluss" auch Schluss, bitter statt schrill, letztgültig, total, und wir durften dem Auflösungsprozess einer Mythologie beiwohnen, die ein wundervolles Gestern erleben durfte.  

7.5 | 10