Mittwoch, 29. Juni 2016

"Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft" / "Lust for Life" [USA 1956]


Nicht wenige biografische Künstlertraktate finden eine filmische Entsprechung, eine eigene Bildmotivik gar für das, was das Biopic im Innersten zusammenhält: Geburt, Beginn, Tod, Ende und dramatisierende Zwischenepisoden. Das Biopic hängt an einer Nabelschnur, verbunden über einen Weg, der vorgegeben ist. Vincente Minnelli durchschnitt diese Nabelschnur. "Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft" schafft ein immersives Erlebnis, indem es die weichen, teigigen und naturalistischen Farbschichtungen van Goghs an flaumige Filmtöne anlehnt. Kirk Douglas spielt diesen niederländischen Meistermaler als sinnlich fühlendes Phantom im Körper eines flapsigen Knirpses. Sein Blut besteht aus Farben, seine Gemälde reflektieren puritanische Alltags- und Arbeiterwirklichkeit, von einem ländlichen Sonnengelb umschmeichelt. Minnelli nähert sich van Goghs Schaffensphasen in sprunghaften Abständen und füllt ein Leben voller poetischer Depression: Wunderprediger, Liebessinnsucher, Freund. Schöpfer. Und schöpferisch tätig sein, war für van Gogh eine Frage der Suche, das Sehende der Natur einzurahmen. Wenn sich dieser Film der impressionistischen Kunst van Goghs widmet und sie gegenüberstellt mit der vereinfachenden Kunst Gauguins etwa, seinem besten Freund, stellt Minnelli emotionale Erhebungen der Überzeugung heraus, die aus sich selbst sprechen. Größtenteils an Originalschauplätzen gedreht, fängt "Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft" ein Zeitempfinden ein, das über Schmerz und Einsamkeit die begehrenswertesten Orte in rustikal-schlichte Andachtstempel umdichtet.

6 | 10