Freitag, 19. Oktober 2012

Die Bond-Retro; geschüttelt, nicht gerührt #2


»FEUERBALL«
»THUNDERBALL«
(GB 1965; Regie: Terence Young)

Nach den Explosionen im Konfetti des Goldregens auf den fleischigen Rücken der Frauen aus "Goldfinger" kontrastiert Maurice Binder einmal mehr die Ästhetik des weiblichen Körpers im Vorspann mit der Ästhetik der assoziativen Ungegenständlichkeit: Sie schwimmen da grazil durchs Wasser, die femininen, die formvollendeten Körper, und Binder unterlegt diese jungfräulichen Bewegungen in beißend-bunte, abstrakte Farbflächen. Das Grundthema scheint schnell vorgegeben – Bond im Wasser, auf dem Wasser, unter Wasser. "Feuerball", Connerys vierte Mission, führt ihn zugleich zur Nummer zwei des "Phantoms" (Augenklappe, aber durchaus etwas Standard: Adolfo Celi). Obschon sich der Film einer ausgefeilten Choreographie in den (Hai-)Meeresschlachten bemächtigt, wirkt er nur manchmal so unbeschwert wie dessen Weltlichkeit, in der das Sadistische neben dem Entspannenden Schulter an Schulter existiert. "Feuerball" präsentiert sich als ebenso träge wie gedehnt, schnuppert selbstverliebt am Bootssport (ein flottes Adam-Tragflächenboot) und feilscht um einen gehetzten Schnitt, der die stotternden Geschwindigkeitsbeschleunigungen unansehnlich betont. Immerhin enthüllt sich Blofeld auf einer kultigen Konferenz ein bisschen mehr, ein Todestanz mit der Femme fatale (lodernd: Luciana Paluzzi) mutiert zur ekstatischen Schnittmontage und Bond hat eine blubbernde Unterwasserliebesszene zu meistern. Ein nicht gänzlich unverletzbarer Bond, der – man staune! – angeschossen wird, bevor ihn seine Dame (zwei Leberflecke an den Beinen: Claudine Auger) das Leben rettet.    


»MAN LEBT NUR ZWEIMAL«
»YOU ONLY LIVE TWICE«
(GB 1967; Regie: Lewis Gilbert)
 
Bondsai in Japan! Mit einem Lächeln wird er allerorten begrüßt im Land der aufgehenden Sonne, größer als alle anderen. Sean Connery klont "Feuerball", den Vorgänger, und Lewis Gilbert Terence Young, den Regisseur des Vorgängers, indem einerseits das davor kommerziell erfolgreiche Konzept von der Mentalität stärkerer Technikzuwendung noch etwas überhöhter begriffen wird und andererseits Connerys chronische Amtsmüdigkeit das Beweismittel beschert, dass in "Man lebt nur zweimal" zum zweiten Mal mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben ist von des raubeinigen Gentlemans zwischen Charmeur und Chauvinist. Die lässigen Einzeiler gehen den richtigen Leuten zum richtigen Zeitpunkt zwar immer noch auf den Keks, aber Connery wandelt dennoch wie eine Leiche durch den Film. Das soll kein Vorwurf sein, "Man lebt nur zweimal" hat andere Stärken und er ist weiß Gott nicht so sporadisch im Ausreizen der Bond-Momente wie der tendenziell handzahme, fußlahme "Feuerball" zuvor.

Der Film ist fernöstlich und daher exotisch, er ist linientreu und daher direkt im Ermitteln, ohne um den Globus zu jagen, er ist vor allem eine feudale Kulissenarchitektur von des Meisters Hand, Ken Adam. Egal ob es sich dabei um eine unterirdische Lobby mitsamt eigener U-Bahnlinie oder eine als Vulkan getarnte Raketenabschussbasis mit künstlicher Wassermetallschicht handelt – Adam entwarf bedrückend-dichtes, dann wieder weitflächig-räumliches Hintergrundmaterial, das aufgrund seines Unbeirrbarkeitscharakters die Figuren ebenso verschluckt wie verschleiert.

Ehe die vergleichsweise popelige Pre-Title-Sequenz Bond vermeintlich sterben lässt (Cliffhanger!) und Nancy Sinatra schmettert (ein knackiger Song!), deutet einiges darauf hin, dass Gilbert unbewusst Motive der etablierten Bond-Formel enteignet, die er in weiteren Filmen nach "Man lebt nur zweimal" anders, weil kalkulierter, gleichwohl in dramaturgisch verwandter Konstellation benutzt. Das Science-Fiction-Element avanciert im späteren "Moonraker" zum Mittelpunkt, die Klimax einer ausgelassenen Materialschlacht im Hauptquartier des Antagonisten wird hingegen vorweggegriffen ("Der Spion, der mich liebte"), und dass Bond den Dritten Weltkrieg verhindern muss, wenn er den universellen Konflikt angefressener Amerikaner, Russen und Briten schlichtet – kein Thema.

Kinderbuchautor Roald Dahl ist wahrlich kein erfahrener Bond-Autor, was die Qualität seiner künstlerischen Freiheit gegenüber der Fleming-Vorlage erklärt. Dahls Änderungen waren gezwungenermaßen nötig, dem schnöden Fleming-Reiseabenteuer spannende Sentenzen abzuluchsen, nichtsdestotrotz gleicht das Drehbuch vielmehr einem Flickwerk an Ungereimtheit (Blofelds unbeirrbarer Plan – ein Stück Maximalaufwand gegen Minimalziel), frecher Laufzeitverlängerung (warum muss Bond unbedingt als Ninja ausgebildet werden, wenn er doch sowieso nur einen Wurfstern abfeuert?) und über Bord geschmissenen Möglichkeiten (langweilige Japanerinnen, aber sexy Akiko Wakabayashi im Bikini, während ihr Slip immer weiter runterrutscht).

Der Bond-Grammatik kommt es demnach entgegen, dass deren wichtigste Modifikationen aus Subjekt und Verb nicht zum ersten Mal über den Gesamttext hinweg zu kaschieren wissen, was sich darin spiegelt, dass: "Little Nellie" flattert, Barry treibend musiziert (in der Luftverfolgung), hungrige Piranhas Karin Dor futtern (köstlich!), Karin Dor ihre wohlgeformten Finger zeigt, Karin Dor überhaupt Karin Dor ist, Blofelds karikatureskes Schnitzelgesicht offenbart (diabolisch: Donald Pleasence), Bond vermöbelt wird (der Kampf im Industriekomplex). Und aus einer Zyankali-Zigarette schließlich eine resultiert, die dem Raucher gesundheitlich zwar nicht schadet, dafür aber dem nächstgelegenen Passivraucher noch viel, viel mehr. Viel mehr.


»IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT«
»ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE«
(GB 1969; Regie: Peter R. Hunt)

Dieser sechste Bond, er ist nicht annähernd die sinnbildliche Projektionsfläche einer spektakulären zweiten Wirklichkeit, in der Frauen die Bettgesellschaft spielen und die triebgesteuerte Maschine einer Heldenfassade den Weltkrieg im Alleingang aufhält. "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" nähert sich zwar den Bond-Allüren an, unterläuft sie aber lawinenfallartig, und deshalb verkörpert dieser sechste (weihnachtliche Schweizer-)Bond gleichermaßen ungestüme Hingabe wie ein Stück filmischen Wahnsinns. Er schwingt nostalgisch den Hut (Bond packt arbeitslos seinen Koffer und die Barry-Melodien der letzten Themes erklingen) und blickt der Zukunft vorausschauend entgegen ("Die Welt ist nicht genug"). Er ist eine fatalistische Reflexion über das abgekapselte Davor und das Danach, über Ruhe und Ruhelosigkeit, vor allem demontiert er sich und zerpflückt das Innenleben eines zerstreuten Agenten auf der Sehnsucht nach Harmonie im Gewebe aus schlüpfriger Parodie (Allergietherapie!) und verhängnisvollem Scheitern (ein Windschutzscheibenloch), das selbst ein Schnapsglas nicht auffangen kann. Dass der nonchalante George Lazenby gezwungene Zynismen produziert, stört nicht angesichts der individuellen Bandbreite getimter Breitbildkinetik: auf Skiern mit Bogner, im Autorennen mit 'ner Vollblutemanze, im Bob mit Blofeld; es wird im Wettkampf getrauert, mit Moneypenny, mit Bond! Und trotz dem Anderssein wird Bond beibehalten. Es ist diese fragile, diese trügerische Liebeslust, die statt dem Leben schlussendlich nur den Tod erkämpft.    
    
Gesamtwertungen: 5 | 10     6 | 10     8 | 10