Montag, 9. September 2013

"Der weite Himmel" / "The Big Sky" [USA 1952]


Überlange Missouri-Flussreise ins Herz der Wildnis von Howard Hawks. Stromschnellen, Verhaftung, Flucht, Jäger, Gejagte, Schwarzfußindianer, Franzosen, Entführung, Hass, Liebe, Leid, Sehnsucht, Leidenschaft, Freundschaft, unerschütterlich bis ans Ende aller Tage, ewig während. "Der weite Himmel" ist ein mit archaischer Kraft erzählter Western der ganz großen Gefühle ganz großer Figuren, deren Begegnung mit einer Häuptlingstochter nichts verändern wird, nur ihr gesamtes Leben. Westernuntypisch kooperieren Weiße und Indianer aus gegenseitigem Misstrauen bis zum gegenseitigen Respekt, wodurch die eine Gruppe auf die Hilfe der anderen angewiesen ist und nur deshalb die Mission beider gelingen kann.

Das Fundament des Films basiert auf einer Freundschaft zweier sich zufällig kennenlernender Männer, die in eine wilde Abenteuerfahrt zwischen Zivilisation und Niemandsland hineingeraten, in eine existenzielle Konfrontation zwischen Mensch und Natur, Bekannten und Fremden. Hawks verknüpft Anekdote für Anekdote, Station für Station, Hindernis für Hindernis, Gefahr für Gefahr, kommentiert von einem beruhigenden Erzähler, wohingegen die Schiffsbesatzung derweil ihre geistigen Werte ergründet und ihre bisherigen Ideale hinterfragt. Naturalistische Landschaftsgemälde (Russel Harlan) und betörende Klänge (Dimitri Tiomkin) gehen Hand in Hand und veredeln diesen zutiefst humanistischen Appell an das ungefilterte Gute im Menschen und das Achtbare im Zwischenmenschlichen.

Eine große Stärke dieses Westerns besteht darin, dass er Empathie, Beweggründe und Psychologie seiner durchweg herzerwärmenden Charaktere nicht per se durchleuchtet und durchdringt, sondern jederzeit mit spöttischem Witz sowie erfrischend derben Sprüchen liebäugelt (vergnüglich: der abgeschnittene Finger), die hin und wieder in philosophischen Lagerfeuererzählungen über das Leben und das Leiden kulminieren. Damit reicht "Der weite Himmel" weit über konventionelle Westernmythologie hinaus. Hinzu kommt das wiederkehrende Motiv der scheiternden Kommunikation, sei es ironisch unterfüttert, wenn sich Franzosen und Amerikaner gegenüberstehen, oder tatsächlich ernst gemeint, wenn sich Weiße mit Indianern unterhalten, was sich lediglich aus subtilen Gesten und kleinen Andeutungen speist.

Hawks macht Kommunikation dort möglich, wo sie unmöglich ist. Obwohl der Mensch seiner Stimme beraubt wird, bringt er es dennoch fertig, sich zu verständigen. Die Ausführbarkeit von Mimik und Gestik versinnbildlicht dafür häufig die schmale Grenze von Leben und Tod. Zudem exzellent gespielt: Kirk Douglas als verquasselter Trapper, Boone Caudell als maulfauler Farmer auf der Suche nach Action, Arthur Hunnicutt als versoffener Vatertypus, Elizabeth Threatt als wunderschöne Schwarzfußindianerin – und viel, viel Whiskey für Verletzungen und Enttäuschungen.  

6.5 | 10