Donnerstag, 20. September 2012

Die imposanten 7: Akte X-Folgen [Season 5]

      #7 
   »EIN SPIEL«   
»CHINGA«
  (E10)


…isst mit der Eintopfkelle die Stephen-King-Gesetzmäßigkeit in großen Schlucken. Dazu zählt das verschlafene Städtchen Maine, dessen verwunderliche Einwohner, das Stirnrunzeln, die halbgeöffnete Haustür und das Fragezeichen in Bezug auf Fremde, der einbrechende Horror in der Normalität durch das Übernatürliche einer lebendigen Puppe, die kreativen Tötungspassagen – hier wird per Schallplattenscherbe geschnetzelt, Augen zerkratzt und der Hammer auf den Kopf geschlagen – sowie eine Grundstimmung im Bereich von Schmunzeln und Gruseln. Als hinreißende "Chucky"-Adaption nur bedingt zu gebrauchen (warum unternahm die Mutter eigentlich nicht früher einen Versuch, die Puppe ihrer Tochter loszuwerden?), liegt es in erster Linie an meiner begeisternden Affinität zu Stephen King, dass "Das Spiel" in diese Liste nach längerem Überlegen dennoch aufgenommen wurde. Und wegen den Mulder-Scherzen aus Langweile.  

   #6  
   »DAS ENDE«   
   »THE END«        
 (E20)


Scully und Mulder am Ende ihrer Reise, am vermeintlich toten Punkt ihrer Beziehung; fassungslos  liegen sie sich in den Armen inmitten von Trümmern, den letzten Überresten an ermattender Schwärze, die sie in dem Raum verschlucken, dem sie ihr ganzes Leben gewidmet haben. Nun ist er ausgebrannt und mit ihm die Geheimnisse und die Wahrheiten und die Protokollierungen unerschütterlichen Glaubens. Auch sonst liegt Feuer in diesem schockierenden Staffelfinale: Der Krebskandidat in Aktion, Krycek auf Abfangkurs, ein singulärer Gedankenleser, ein Attentat auf einen betrügerischen Schachweltmeister und eine eifersüchtige Scully, weil Mulder seiner Ex Erkenntnisse anvertraut, die nur für Scully bestimmt sein sollten. Scully verbirgt ihre Gefühle, im Gegenzug lassen sich Mulders (keineswegs unschuldige) Gedanken einigermaßen leicht lesen: Wenn Mulder  "Baywatch" erwähnt, denkt er Schmutziges.  

  #5  
 »KILL SWITCH« 
(E11)


Was künstliche Intelligenzen anrichten können, zeigt sich in der erst zweiten Cyber-Folge der Serie. Waffenplattformen des Verteidigungsministeriums nehmen denjenigen ins Visier, der sich unerlaubten Zutritt ins Netz der Wünsche und Träume verschafft. Toughe Frauen und zurechtgestutzte Hacker spielen in einer technizistischen Episode die Hauptrolle, die destruktive Lust an der reißerischen Explosion mit der anatomischen Verschmelzung von Mensch und Maschine vermischt. Ein bisschen Cronenberg, ein bisschen "Eraser"  und vor allem ganz viel verschlungener Kabelsalat bestätigen Mulder in dem Irrglauben, er als FBI-Agent könne nicht Teil des virtuellen Systems werden. Als er sich schließlich selbst in einer Software-Architektur befindet, wird er von hübschen, als Krankenschwestern getarnten Blondinen versorgt (er merkt, dass ihm bald beide Arme fehlen) und wundert sich über die verborgenen Kung-Fu-Fähigkeiten Scullys.      

 #4 
 »REDUX« - Teil I, II 
 (E01/02)


Mulders angedeuteter Tod wird nicht mehr zur indianischen Heilslehre erhoben, sondern in ein erkenntnisreich geschriebenes Verwirrkarussell integriert, dessen treibende Anspannung und unausweichliche Dichte die Figuren bedrängen und sie psychisch gleichermaßen einschnüren wie verkrampfen. "Redux" vermischt einen gesuchten Maulwurf in der FBI-Zentraladministration mit der zeitgeschichtlich visualisierten Ausweitung einer über vier Jahre vorgetäuschten Lüge. Dazwischen kämpft Scully weiter mit ihrem Krebs, für dessen Heilmittel sich Mulder stark macht und sich Zugang ins Verteidigungsministerium verschafft, um schlussendlich auf gezüchtete (?) Alien-Körper zu stoßen. "Redux" filtert die emotionalen Ausbrüche Mulders, changierend zwischen Tod und Widergeburt, weil es zum erneuten Familientreffen kommt und der Krebskandidat empathische Züge zeigt. Skinner indes war nie hilfloser. Mythologie-Elegie.             

  #3  
»DIE UNÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN« 
»UNUSUAL SUSPECTS« 
(E03)


Wie die Einsamen Schützen zu aufrichtigen Wahrheitswünschelrutensuchern wurden, muss zwangsläufig wahnsinnige Terroristen und Paranoia auf der höchsten Alarmstufe anziehen. Ausgehend von einer Frau, einer Traumfrau, die sich als ein Opfer einer Regierungsverschwörung beschreibt, überschneiden sich die Wege dreier bekloppter Nerds und schräger Vögel mit denen von Mr. X, von Fox Mulder (mit übergroßem Handy!) und der ersten Bekanntmachung manipulativer Säuberung und Verdrehung im Staate der unbegrenzten Möglichkeiten. Während Mulder nach einer Schießerei in einer Lagerhalle halluzinatorischer Substanzen einem Fiebertraum erliegt, indem er die Männer vor ihm als kleine Männchen außerirdischer Qualität klassifiziert, erweisen sich die Methoden der Kontrolle und Überwachung in dieser frühen Folge der fünften Staffel als bemerkenswert trickreich: eine Wanze unter dem Zahn sowie in der Hotelbibel.    

  #2  
 »BÖSES BLUT« 
»BAD BLOOD« 
(E12)


So wie Mulder laut eigener Auskunft unter Drogen stand, um Ereignisse zu erklären, die sowieso niemand glaubt (erst recht nicht Skinner!), so steht die Folge "Böses Blut" stellvertretend dazu selbstverständlich auch unter Drogen und hat vorrangig einen riesengroßen Knall. Anders kann man sich dieses saftige Stück Kalauer nicht erklären, aus zwei divergierenden Erzählblickwinkeln den Vampirismus in dumpfbackige Dorftölpel mit vorstehendem Gebiss unterzubringen, denen Scully halbverliebt nachschaut. Sie macht die Drecksarbeit mitten in der Nacht und schmeißt ebenso geistesabwesend wie hungrig Organe auf die Waage, während Mulder sie mit Hilfe seines Wissens und seiner Lache (Lieblingsszene) demütigt. Ein vibrierendes Bett, offene Schnürsenkel, schlechte Laune, falsche Fangzähne, Sonnenblumenkerne, Pizza, Münzen, Gedärme  – und zwei Kollegen, die zum keifenden Ehepaar gereift sind. Versöhnungskuss?   

  #1  
 »DER GROßE MUTATO« 
»POST-MODERN PROMETHEUS«
(E05)


Eine komplett in Schwarz-Weiß abgedrehte Episode, die den Elefantenmenschen und Dr. Frankenstein hinüberrettet in expressionistische Licht- und Schattenspielereien, ausgewachsenen Monsterängsten, rigorosen Verdrängungen und jenen Hampelmännern (darunter eine nicht richtig tickende Journalistin), die kurz davor stehen, durch ihr schiefes Auge auf Fremde alle Stereotypen zu erfüllen, die ihnen von den Stadtmenschen aufgezwungen werden, so auch von Scully und Mulder. Eine Allegorie des Erdnussbutter-essenden, die Wärme suchenden Außenseiters im Dunkel der Nacht; angesichts der befreiten Musik von Cher mit belustigendem Grauen angereicht. "Twin Peaks" grüßt freundlich. Wenn unser Paar zu "Walking in Memphis" bis zum eingefrorenen Comic-Panel tanzt und der Mensch im Monster jubelt ob der Musik: Das ist eine Szene für alle Ewigkeiten, eine Szene der unumstößlichen Freiheit.