Montag, 24. September 2012

"Romero-Zombies man, ich hab' jetzt schon... Schiss."


»DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN«
»NIGHT OF THE LIVING DEAD«
(USA 1968)

"Die Nacht der lebenden Toten" ist die erste politische Regiearbeit in der Vita eines rebellisch-umstürzlerischen Kompagnons, der aus seinem Leibe eine verwesende Totgeburt gebar, deren Biss ein Genre infizierte. Das ist ein rustikales Debüt voller "antikommunistischer Hysterie", das ist ein Protest, der Fieber hat, Wunden aufreißt, der weh tut, das ist eine symbolkräftige Zeitgeistreflektion über Jagen, Flüchten und Macht, über das Bonbon, das zum Supermarkt schielt. In Bewegung, dieser Film, immer wieder, in traumwandlerischer, in zittriger Bewegung, die in kannibalischen Praktiken eine eigene originäre Körperästhetik definierte. Menschen rasten in einem Haus, selbstsichere Schwarze, verstörte Frauen und militante Weiße, verbarrikadieren sich, lernen, beten, reden, umschlingen Ein- und Ausgänge, und die Kameraschrägen schneiden ihre Gesichter zu expressionistischen Relikten an Licht und noch mehr Schatten. Den kulturellen Zerfall des Gemeinschaftswesens beschwört Romero in den vielseitigen Mentalitäten hierarchisch geprägter Gruppenorganisationsprozesse gegen ein Wahrzeichen gesellschaftlicher Randexistenz, während sich der Raum der behaupteten Sicherheiten (und zupackender Hände aus der Wand) stetig einengt. Der Regisseur aus Pittsburgh zerkleinert in anatomischer Beharrlichkeit die verstohlenen Anfeindungen jener, die sterben, weil sie überleben, angekommen in völliger Dekonstruktion der Dekonstruktion der Dekonstruktion. Eine Revolution ohne Alternative, eine Selbstzerfleischung ohne Narkose, die unerfüllbare Hoffnung eines Entrechteten. Verängstigte Augen im Glockenspiel erzeugen Leere. 


»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Romero-Cut)
 
Zugleich Kapitalismusschelte wie Konsumohrfeige, eine Zwinker-Zwinker-Satire über die Tortenschlachten des Menschen gegen das Böse, den Eindringlingen. Im Materialismus als Marionette gezogen, verkehrt sich die Rollenauslegung in einem Einkaufszentrum ins Gegenteil: Als Machtmenschen haben sie nun alles, die ehemaligen Sklaven der Regalketten. Sie genehmigen sich den Kaviar, den Champagner und den Luxus der entmaterialisierten Welt, und doch bleiben sie Entfremdete ihrer Erinnerung vom Glücksgefühl des Kaufrausches mit anschließender Bezahlung. "Zombie" vergrößert in Kontrast zur "Nacht der lebenden Toten" einerseits das enge Rückzugsgebiet des Eingesperrtseins, andererseits die geistige Entwicklung seiner Metaphern. Immer noch hungrig, leben sie selbst im halbtoten Zustand ihren Lebensinhalt nach, womit Romero den Menschen näher zum Zombie bindet, als den Zombie zur in der Trivialität gefangenen Fleischeslust. Romeros Entwurf einer halbverrückten Dystopie, die unwiederbringlich implodiert, indem das verrauschte Fernsehbild keine Informationen mehr preisgibt, ist auch eine Aufzählung jener toten Punkte einer Liebesbeziehung, die unter all' dem Falschen und Anrüchigen nicht mehr gedeiht. Der Film steht für Amerikas Hedonismus und Imperialismus, für Herrschaftsmenschen, für unaufhaltsame territoriale Eroberung, die es zulässt, dass der beste Freund stirbt, weil er sterben muss. Nur mit Hilfe der allerletzten Schippe abgeklärter Gruppierung scheint die Zukunft noch nicht verloren. Hoffnung am Himmel rotiert da. "Versuchen wir's."

»ZOMBIE«
»DAWN OF THE DEAD«
(USA 1978; Argento-Cut)

Romero verwies darauf, dass ihm Dario Argentos für den europäischen Markt geschnittene und hierzulande am weitesten verbreitete Fassung des auf Listen beschlagnahmter Filme stets festgedruckten Kaufhaus-Zombiefilms "Dawn of the Dead" nicht gefiel, weil Argento den Stoff im Kern nicht erfasst habe. Wahr oder unwahr: Der Metapher wegen zerbricht sich Argento jedenfalls nicht den Kopf, die Geschwindigkeit zelebriert er hingegen ohne Mittagsschläfchen; seine Vorstellung des politisierten Filmemachens ist eine verwässerte, die lakonisch die Aktion und Exploitation sucht, eine, die wie ein titanisches Donnergrollen über das Wohlfühlgefühl des Shoppings hereinrollt. "Dawn of the Dead" beschleunigt exorbitant, will nach wenigen Augenblicken einkaufen gehen und verschweißt dickflüssigen Savini-Gore mit spannungsgestrickten Ablenkungsmanövern, um jene Biester vor den Gittern der Warenabteilung einzuschließen, die auf die Erde gekommen sind, weil in der Hölle kein Platz mehr ist. In verschwörerischer Verbitterung wie apokalyptischer Undurchdringbarkeit filmt Argento zu jeder Zeit Figuren, die – und das ist der wesentliche Unterschied zu Romero – leider kaum ausstudiert werden, aber mit ihnen gemeinsam eine neue aristokratische Ordnung im Schlaraffenland des freien Marktes erschafft, die verteidigt werden muss, notfalls per Gewalt gegen archaische Ideologien (als Rocker: Splatter-Boy Savini höchstpersönlich). Ein nach allen Seiten peitschender Gobling-Sturm, ein rabiater Actionfilm, dessen Tiefe im Blutmatsch zu bestehen scheint. 


»ZOMBIE 2 - DAS LETZTE KAPITEL«
»DAY OF THE DEAD«
(USA 1985)

Eines der ersten Bilder: ein Kalender. Das letzte Bild: ein Kalender. Zuerst ein Traum. Zuletzt ein Traum. Der Fatalismus gefräßiger Zombies, eingerahmt in menschenleeren Städten, in Impressionen wunderschöner Hässlichkeit, deren Übergang in das Paradies am Strand metaphysisch geklammert wird. Ein Traum eben. Oder doch nicht? "Zombie 2 – Das letzte Kapitel" erweist sich als ambivalente Fortführung. Nicht nur, dass Romero vermehrt das Spöttische in das Vertröstende verkehrt – der Abschluss seiner ersten Trilogie schlägt den Kurs der infernalischsten aller Niedergänge ein –, er komplettiert nun den Zombie zur mit menschlichen Erkennungszeichen durchzogenen, tragischen Gestalt, die lernfähig ist (Fahrstuhl!), wodurch die Behauptung dessen hintergangen wird, dass ein Unterschied von Mensch und Tier existiere. Zum zwischen Dialog und Gore nicht zu jeder Zeit austarierten Bunker-Kammerspiel ausgedehnt, konfrontiert dieser vor allem in den Zombieexperimenten ethisch ergreifende Film die Wissenschaft mit dem Aktionismus, die Demokratie mit der Diktatur als Staatsmahnung, den Humanismus mit der Barbarei, für deren reaktionären, militärischen Kodex Romero durchaus Verachtung übrig hat: Lächerlich, dekonstruktiv ist er, und deshalb muss er per Salutgeste sterben. Ein der Raserei verfallener Tom Savini wässert indes den Strom an ungeheuerlicher Gewalt zum letzten Bild, dem Kalenderbild. In der Orientierungslosigkeit angelangt, verlangt der emanzipierte Mensch sofort nach einer Zeitstruktur. 

Gesamtwertungen: 7 | 10     7 | 10     6 | 10     6 | 10